Serie: Physiologie
des Sehens Teil 5

08.09.2022
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Willkommen zum fünften Teil der Serie: Physiologie des Sehens. Heute geht es um den Sehnerv – eine Struktur, welche die Verbindung zwischen Auge und Gehirn darstellt und daher eine zentrale Rolle in unserem Sehprozess spielt. Viel Spass!

Bestandteile und Untersuchung des Sehnervs

Im letzten Blogbeitrag der Serie wurde der Sehnerv bereits angesprochen – nämlich in Form der Ganglienzellen, welche einen wichtigen Teil der Netzhaut ausmachen. Diese Ganglienzellen sind Nervenzellen, deren Ausläufer schlussendlich den Sehnerv bilden. Durch diese Integration der Ganglienzellen in die Netzhaut kann die optimale Schnittstelle zwischen Auge und Gehirn gebildet werden – eine hochinteressante Entwicklung der Natur. Ärzte der Augenheilkunde und Neurologie interessieren sich besonders für diese Schnittstelle im Auge, da sie einer der einzigen Orte ist im menschlichen Körper, wo man von aussen in das Zentralnervensystem sehen kann – also eigentlich in das Gehirn. Wenn man den Augenhintergrund untersucht, sieht man eine gelbliche Struktur, die Mediziner “Papilla nervi optici” – also die Papille des Sehnervs – nennen. Hier vereinen sich alle Ausläufer der Ganglienzellen der Netzhaut und verlassen an einem Punkt den Augapfel in Richtung Gehirn, gebündelt als Sehnerv. Diese Papille kann so von Medizinern untersucht werden. Ein Beispiel wäre zum Beispiel die Abklärung eines erhöhten Hirndrucks. Steigt der Druck im Gehirn durch eine Erkrankung, sieht der Mediziner das meistens an der Papille, da diese in direkter Verbindung mit dem Gehirn steht und folglich durch den erhöhten Druck hervorgedrückt wird.

Im nachstehenden Bild ist die Anatomie des Auges dargestellt. „Optic Nerve“ ist der englische medizinische Ausdruck für Sehnerv. Auf diesem Bild ist schön sichtbar, wie sich der Sehnerv aus den Zellen des gesamten Augenhintergrundes bildet.

Gehirn und Sehen

Nun sind die Nervenfasern im Gehirn – aber noch nicht am richtigen Ort. Das Zentrum für das Sehen liegt in unserem Gehirn ganz hinten am Kopf, also auf der Gegenseite. Der Weg dahin führt über verschiedene Stationen, welche in Verbindung mit weiteren Systemen stehen. Haben Sie sich zum Beispiel schon mal überlegt, wie unser Auge es schafft, bei schnellen Kopfbewegungen Blickkontakt mit einem Objekt oder einer Person zu halten? Diese Reaktionen gehören zu den schnellsten im menschlichen Körper und sind das Produkt von komplexen Verschaltungen im Gehirn. Der Gleichgewichtssinn spielt hier eine grosse Rolle. Dieser sagt dem Gehirn, wie wir uns gerade im Raum bewegen und leitet diese Information konstant an eines dieser Verschaltungszentren weiter. Dieses nimmt die Informationen vom Auge (via Sehnerv) auf und kombiniert diese mit der Information des Gleichgewichtsorgans. So können verschiedene Systeme zusammenarbeiten – eine Meisterleistung unseres Gehirns.

Exkurs: Sehstörungen

Es gibt eine Vielzahl von Störungen, die zu fehlerhaftem Sehen führen. Im Zusammenhang mit dem Gehirn gibt eine spannende Sehstörung, welche ganz charakteristisch ist. Die Mediziner nennen sie “bitemporale Hemianopsie” – dies heisst soviel wie der Ausfall der beiden äusseren Gesichtsfelder. Konkret handelt es sich dann um einen Zustand, wo man die äussere, seitliche Hälfte beider Gesichtsfelder nicht mehr wahrnimmt. Diese symmetrische Verteilung mit einem Befall beider Augen kommt daher zustande, dass sich die Sehnerven unserer Augen in einem gewissen Punkt kreuzen – dem Chiasma opticum. Diese Struktur liegt schon im Gehirn drin und ist daher in der Nähe von zahlreichen anderen Strukturen. Eine dieser nahe gelegenen Strukturen ist die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), welche unmittelbar unterhalb zu liegen kommt. Eine solcher Ausfall des Sehens kann also beispielsweise für eine Vergrösserung dieser Hirnanhangsdrüse sprechen, was auf einen Tumor hindeuten kann. Dies ist für Mediziner hochinteressant, weil man durch eine einfache Sehprüfung einen Spiegel ins Innere des Gehirns vorgesetzt bekommt – und dies ganz ohne Geräte und Technologie.

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